Mittwoch, 11. Mai 2011

Wie kommt das Kind ins Heim?

Diese Frage stellte ein Kommentar zum Thema 'Was sind ethische Adoptionen'. Das ist eine wichtige Frage, denn die Heimunterbringung ist die Schlüsselentscheidung für eine mögliche Adoption. Erst ein verlassenes Kind braucht neue Eltern. Eine Unterbringung im Heim für eine gewisse Zeit dient in der Regel als Beleg, dass das Kind verlassen wurde. Es gibt zu dieser Diskussion  zwei Argumente, die von Adoptionskritikern ins Feld geführt werden.

Das erste ist der Hinweis, dass Adoptionen an sich bereits zum Verlassen von Kindern führen. Weil es die Möglichkeit der Adoption gibt, seien Eltern oder Verwandte bereit ihre Kinder ins Heim zu geben, um ihnen durch die Adoption ein besseres Leben zu ermöglichen. Ohne das Vorhandensein von Adoptionen würden weniger Kinder verlassen. Einen Beleg für diese Behauptung gibt es leider nicht, obwohl er nicht so schwer zu erbringen wäre. Viele Länder kennen das Instrument der Auslandsadoption überhaupt nicht. Werden dort weniger Kinder verlassen als in Ländern mit Auslandsadoptionen? Hat sich in Äthiopien die Zahl der verlassenen Kinder erhöht, seitdem die Zahl der Adoptionen anstieg? Ist dies auf Adoptionen zurückzuführen? Schafft die Nachfrage tatsächlich das Angebot? Wir wissen es nicht und sind für jeden belastbaren Hinweis dankbar. Allerdings sei nochmals darauf verwiesen, dass UNICEF die Zahl der (halb)Waisen in Äthiopien auf knapp 5 Millionen schätzt und die Zahl der Adoptionen im Jahr bislang nicht höher als 5000 lag. Das ist weniger als ein Promille. Das soll nicht die Korruptionsproblematik beschönigen sondern nur darauf hinweisen, dass es höchstwahrscheinlich einen tatsächlichen Bedarf gibt, der durch unethische Praktiken erstmal nicht beseitigt wird.

Der zweite Hinweis ist ein anderer Umgang mit Heimunterbringung in ärmeren Ländern. Eltern bringen ihre Kinder ins Heim, weil sie vorübergehend nicht für sie sorgen können. Oder um ihnen eine bessere Erziehung zu ermöglichen. Dies wird zum Beispiel in diesem Beitrag über Kinderhandel in Nepal bestätigt. Hierzu ist zu sagen, dass in diesen Fällen offensichtlich keine Adoption angemessen ist. Wo Eltern vorhanden sind, sind Kinder nicht elternlos. Wie in dem Beitrag deutlich wird, gibt es die Heime, die die Kinder von den Eltern fernhalten, weil sie finanzielle Zuwendungen im Falle von Adoptionen erhalten.

Um Korruption und Kinderhandel auf dem Weg ins Heim auszuschliessen, ist die Dokumentation der Herkunft des Kindes von zentraler Bedeutung. In jedem Fall müssen direkte finanzielle Zuwendungen für Adoptionen reguliert, limitiert und in diesen Fällen auch ganz abgestellt werden. Es darf keinen finanziellen Anreiz zur Abgabe oder Adoption eines Kindes geben, weder für die Heime noch für die Eltern.

Adoptionen sind eine Hilfe für verlassene Kinder, sie dürfen aber kein Grund zum Verlassen eines Kindes sein.

12 Kommentare:

  1. Wie ist denn das eigentlich in Deutschland geregelt? Wie kommen hier Kinder in den staatlichen Kinderschutz?

    Sind die hier aufgeführten knapp 35.000 Kinder alles Sozialwaisen die man adoptieren könnte?
    Oder wieviele dieser Kinder könnte man adoptieren. Die leben ja alle in Heimen...

    ( http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/Sozialleistungen/KinderJugendhilfe/HeimerziehungBetreuteWohnform5225113097004,property=file.pdf )


    Was sind denn genau "verlassene Kinder" ?
    Sind das wirklich verlassene Kinder oder Kinder im staatlichen Kinderschutz?
    Welche Hilfen kann ein Kind in Deutschland bekommen? Und damit auch seine Familie / Eltern.
    und wer entscheidet wann ein Kind ""verlassen" / frei für Adoption ist?

    Welchen finanziellen Anreiz würde es für den Staat ( Städte / Gemeinden) bieten ein Kind aus dem Kinderschutz in eine Adoptivfamilie zu geben?
    Also selbst wenn Adoptiveltern keinen Cent an Gebühren zahlen müssten.

    Anonymous1

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  2. Ich glaube mein kommentar bezüglich der Anzahl von Kindern in deutschen Heimen ist verschwunden. Die Zahl von 35.000 war auch nicht korrekt. In 2009 waren dem statistischen Bundesamt zufolge 60.902 Kindern in Heimen und sonstigen betreuten Wohnformen. Dazu kommen nochmal 57.452 Kinder die in Vollzeitpflege bei einer anderen Familie sind.
    Warum sind diese Kinder nicht frei zur Adoption?
    Sollten nicht alle Kinder auf der Erde gleiche Rechte haben?
    Gruss Anonym1

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  3. Natürlich. Wir sind leider keine Experten für Inlandsadoptionen. Spontan fallen mir folgende Gründe ein: die Kinder sind nur vorübergehend im Heim; die Eltern stimmen einer Adoption nicht zu; die Kinder sind zu alt oder zu krank.

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  4. Letzlich ist es darauf zurückzuführen das Deutschland die Kinderrechtskonvention implementiert hat. Tatsächlich werden hier in Deutschland nur in den wenigsten Fällen Kinder zur Adoption ( von Behörden) freigegeben. Auch kann man als Elternteil sein Kind so ohne weiteres nicht zur Adoption freigeben.- insbesondere ältere Kinder.


    Es ist durchaus interressant einmal darüber nachzudenken wieso die Kinderrechtskonvention in Deutschland angewendet wird, aber wenn deutsche Agenturen im Ausland operieren, aufeinmal die Kinderrechte systematisch missachtet werden können.

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  5. Nein, es ist darauf zurückzuführen, dass in Deutschland die Rechte der Eltern sehr hoch bewertet werden. In Großbritannien wird die Zustimmung der Eltern zu einer Adoption regelmäßig durch Gerichtsbeschluss ersetzt, ohne dass man sagen würde, dass die Briten dadurch die Kinderrechtskonvention verletzen würden. Im Ausland müssen in der Regel die Eltern der Adoption vor Gericht zustimmen. Das Problem in Äthiopien sind nicht die Verfahrenswege oder die fehlende Implementation der Kinderrechtskonvention sondern die unzulängliche Überprüfung der Dokumente sowie die Missachtung der Verfahren durch Vermittlungsstellen und Mittelsmänner.

    Ob im Übrigen für die 60.000 Kinder in deutschen Heimunterkünften dies wirklich die bessere Lösung ist, bleibt dabei unbeantwortet. Aus der Forschung wissen wir, was Heimunterkunft für die psychische Entwicklung von Kindern bedeutet.

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  6. hallo zusammen,
    wen wir ehrlich sind, sind solche Diskussionen doch müssig. Bei alllem gibt es seine Vor- und Nachteile.
    Ich habe vor kurzem einen Bericht gelesen von einem Heimkind, dessen Adoption aufgrund einer Grundsatzentscheides des Staates scheiterte. Das Kind trauert immer noch seiner "Familie" nach.
    Auf der anderen Seite kann ein adoptiertes Kind seine Umwelt irgendwann dafür hassen, dass es nicht bei seinen eigenen Eltern aufwachsen konnte.
    Ich glaube einfach, dass es bei einem so schwieirigen Thema kein Richtig oder Flasch gibt.

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  7. Nein, auch bei schwierigen Themen gibt es ein 'richtig' und 'falsch' wie auch ein 'besser' und 'schlechter'. In den sechziger Jahren hat man den Kindern noch verschwiegen, dass sie adoptiert wurden. Dies war eindeutig falsch. Es gibt Fortschritte sowohl in Erkenntnissen als auch in der Praxis, was gut für Kinder ist und wie Korruption und die Missachtung von Rechtswegen bekämpft werden können. Diese Erkenntnisse und neue Praktiken muss man auch auf internationale Adoptionen anwenden.

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  8. Ich meinte nicht, dass es nicht auf eine einzelne Aspekte von Adoptionen ein richtig oder falsch gibt, sondern auf die Frage, ob eine Adoption überhaupt vertretbar ist.

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  9. In Grossbritannien gibt es massive rechtliche Auseinandersetzungen in den Fällen wo Eltern ihre Kinder entzogen wurden und zur adoption gegeben werden.

    Deutschland war lange Zeit ein " Sende" Land und eine grosse Anzahl wurde ins Ausland exportiert.

    Die Forschungen wie sich eine Heimunterbringung auswirkt, lassen sich grösstenteils auf das sogenante " Bucharest early intervention Project" zurückführen. Ein Project von dem Adoptionslobbiesten und Vermittler Ron Federici.

    Desweiteren ist bspw. die Forschung von Rene Hoksbergen und Femmie Juffer von Adoptionsagenturen bezahlt. ( quelle: google wirkt Wunder)

    Das Problem in Äthiopien sind nicht alleine die" die unzulängliche Überprüfung der Dokumente sowie die Missachtung der Verfahren durch Vermittlungsstellen und Mittelsmänner", sondern das gesamte Adoptionssystem als solches. Die systematische Verletzung von Kinderrechten und die abhängigkeit von Adoptionsgebühren / Spenden.- ganz abgesehen davon, dass deutsche Aufsichtsbehörden deutsche Agenturen einfach ohne grosse weitere Aufsicht schalten und walten lassen.

    Wenn Ihr Ethiker, so überzeugt davon seid dass Adoptionen die beste Lösung für Kinder und Familien in Schwierigkeiten ist, warum adoptier Ihr dann nicht die eines der 60.000 deutschen Heimkinder?
    Wäre es nicht besser für viele Kinder aus sogennanten Multiproblem Familien - in einer Adoptivfamilie aufzuwachsen?

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  10. Ja, es wäre für viele Kinder in Heimunterbringung besser in einer Adoptivfamilie aufzuwachsen. Die internationale Forschung ist in diesem Punkt seit vielen Jahren einhellig einer Meinung und zwar unabhängig davon, wer sie finanziert.

    Es ist zudem der wesentliche vielleicht auch einzige Grund, warum Adoptionen gerechtfertigt und vertretbar sind: weil sie - wenn sie ethischen Grundsätzen folgen - dem Kindeswohl dienen.

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  11. Also das ist interessant. Könnt Ihr vielleicht mal eine Liste der Studien der internationalen Forschung hier posten?

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  12. Mich würden die Studien auch interessieren!

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