Donnerstag, 26. Mai 2011

T.i.A.

Alle ethischen Debatten um Auslandsadoption rühren an eine Frage, die erstaunlich selten explizit aufgeworfen wird: Können wir von anderen Ländern die Einhaltung von Normen und Standards verlangen, die für uns selbst ethisch unabdingbar sind? Ist das – gerade gegenüber afrikanischen Staaten – nicht anmaßend, gar Ausdruck postkolonialistischer Überheblichkeit und geradezu imperialistisch? Müssen wir nicht akzeptieren, dass anderswo vieles einfach anders ist? Doch was ist umgekehrt von Sätzen zu halten wie Von denen kann man das sowieso nicht erwarten’ oder einfach „This is Africa!” (T.i.A.)? Ist das nicht ebenso herablassend?

Es gibt in der Tat auch unter Adoptiveltern manchmal eine Haltung von Augen zu und durch!’ – damit sei den Kindern mehr geholfen als mit einem womöglich langwierigen (und mit deutscher Akribie’ durchgeführten) Verfahren, das dann wirklich ’auch den letzten rechtstaatlichen Anforderungen’ entspricht. Kindeswohl wird hier vom Ergebnis her gedacht: Entscheidend ist, dass das Kind raus aus dem Heim oder runter von der Straße ist. Aber welche Mittel heiligt dieser Zweck?

Diese Fragen rühren an einen Konflikt, der heute häufig im Zusammenhang mit multikulturellen Gesellschaften diskutiert wird. Zwei Positionen lassen sich hier benennen: Der Kulturrelativismus, der andere Kulturen in ihrer Eigenart und Entwicklungsgeschichte zu sehen bereit ist und grundsätzlich zu Toleranz aufruft, tritt dem Universalismus gegenüber, der bestimmte für alle Kulturen verbindliche Normen wie etwa die Menschenrechte einfordert.

Es fragt sich also: Muss es universelle, für die gesamte Menschheit geltende Normen geben oder sind jeweils spezifische Kulturen die einzige Legitimationsquelle für rechtliche und moralische Prinzipien?“ (So Wolf-Dieter Vogel in der TAZ.)

Das klassische Rechts-Links-Spektrum bietet hier keine Orientierung, noch weniger ein positiver Rassismus’, der geneigt ist, andere Kulturen über die eigene zu stellen und deren Eigenheiten blind zu begrüßen.

Vor einiger Zeit ist hierzu ein bemerkenswertes Buch erschienen: Imke Leicht – Multikulturalismus auf dem Prüfstand (Berlin 2009). Hier wird gerade im Hinblick auf die Menschenrechte eine dezidiert universalistische Position vertreten. Dass Justizgrundrechte zu den Menschenrechten zählen, dürfte bekannt sein. Aber auch die Verfahrensanforderungen, wie sie z.B. an anderer Stelle auf dieser Seite aufgeführt sind, müssen als Ausformungen der Menschenrechte gesehen und dürfen nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden.
Und um auf Äthiopien zurückzukommen: Man kann den Eindruck haben, als gebe es dort den politischen Willen, bei den Auslandsadoptionen die Menschenrechte auch verfahrensmäßig umzusetzen. Jedenfalls scheint die äthiopische Regierung bemüht, Missstände in Adoptionsverfahren zu unterbinden. Auch das ist Afrika.

6 Kommentare:

  1. Eine klare " Orientierung" die bindend ist bietet die UN Kinderrechtskonvention. Die gilt für alle Kinder, ausser denen in Somalia und Amerika.
    Ein deutsches Kind, hat folglich die gleichen Rechte wie ein äthiopisches Kind.
    Nun steht ausser Frage, dass ein Kind i.d.R. in Deutschland bessere Chancen hat als in Äthiopien.
    Oder?

    Die Frage die sich aber stellt ist die folgende:

    Wenn in einem Kulturkreis, die quasi vergewaltigung von Mädchen ( bspw. Devadasis) Brauch ist,- dann ist das schlimm genug. Aber sollte ein Deutscher daran teilhaben und von der Praktik profitieren?

    Übertragen auf Adoptionen heisst dass, kann eine deutsche Vermittlungstelle in Äthiopien arbeiten und intervenieren ohne exakt die gleichen Standards anzuwenden die auch für eine deutsche Inlandsadoption gelten?
    Also haben äthiopische Kinder andere Rechte als deutsche? offenbar...denn in Deutschland ist die KRK recht gut implementiert. Da bleibt die Frage warum man in Äthiopien etwas anderes will..
    wem nützt das?

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  2. Die KRK gilt in Deutschland wie in Äthiopien. Das empfohlene Buch spricht sich offenbar dafür aus, die Kinderrechte hier wie dort in die Praxis umzusetzen - ohne Rücksicht auf Kulturkreise'.

    Es ist bekannt, was Kindern droht, die dort auf der Straße landen. Die Arbeit der Vermittlungsstellen trägt dazubei, einen sehr kleinen Anteil von Kindern davor zu schützen.

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  3. Also, die meisten Kinder die aus Äthiopien nach Deutschland gelang(t)en, sind nicht die Kinder die auf der Strasse landen würden. Oft haben die Kinder sogar Familien- vielleicht arm, aber grundsätzlich intakt.
    Alle Kinder die zur Auslandsadoption gelangen befanden sich vorher im staatlichen Kinderschutz.-und nicht auf der Strasse.

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  4. Also was denn nun? Gibt es einen effektiven staatlichen Kinderschutz in Äthiopien oder nicht?

    Wenn die Kinder dem Heim entwachsen sind, droht ihnen die Straße - s.o.

    Die 'meisten Kinder' - das ist eine reine Phantasiebehauptung.

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  5. Ja- wie gesagt, jedes adoptierte Kind war im staatlichen Kinderschutz, also gibt es ihn. Selbsverständlich bedarf er der Verbesserung. Das aber berechtig nicht die Kinder einfach gegen hohe Adoptionsgebühren dort herauszuholen. Wenn eine deutsche Stelle schon intervenieren will, dann sollte sie sich an die KRK halten.
    Habt Ihr denn Vollwaisen adoptiert? oder wie die meisten Adoptivfamilien sogennante Sozialwaisen? oder Halbwaisen?

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  6. Ja, jedes adoptierte Kind war im staatlichen Kinderschutz und der staatliche Kinderschutz hat entschieden, dass eine Adoption für das Kind besser ist als ein Verbleib im Heim.
    Das Ziel ist, das Verlassen von Kindern zu verhindern und das Verfahren zur Adoption strengen Auflagen zu unterwerfen, zu denen auch die Prüfung gehört, ob es Alternativen im Land gibt. An dieser Prüfung sollten Gerichte, Heime, Vormund etc. beteiligt sein. Ziel dieses Blogs ist es, die Wege dorthin zu diskutieren.

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