Montag, 16. Mai 2011

CHILD GRABBING?

Kann man die Kosten einer Adoption eigentlich von der Steuer absetzen? In Deutschland nicht, in anderen Ländern, auch in europäischen, durchaus. In den USA als klassischem Einwanderungsland gibt es einen National Adoption Day, an dem dann auch die Einbürgerung von ausländischen Adoptivkindern zeremoniell begangen werden kann.

Staatlicherseits sind bei uns ausgebildete ausländische IT-Spezialisten willkommen, Kinder nicht, Flüchtlinge schon gar nicht. Adoption fühlt sich da leicht an wie eine Extremsportart, die eben jeder auf eigenes Risiko betreibt.

Aber muss das für alle Zeiten so bleiben? Manche Statistiken sagen heute schon für die nicht allzu ferne Zukunft Vollbeschäftigung und dann auch Arbeitskräftemangel voraus. Die Überalterung der Gesellschaft ist thematisch längst in der Mitte der öffentlichen Debatten angekommen. Wird vielleicht demnächst Auslandsadoption als ein Gegenmittel entdeckt und entsprechend gefördert? Kommt es nach dem land grabbing’ in Afrika zu einem child grabbing’? Oder ist das schon längst im Gange, nur Deutschland hinkt noch hinterher? Sind die Risikosportler von heute vielleicht ohne es zu wollen die Avantgarde einer neuen Entwicklung?

Das alles mag noch sehr nach Zukunftsmusik klingen, vor allem wenn man die aktuell rückgängigen Adoptionszahlen berücksichtigt. Aber wenn plötzlich die Bundesfamilienministerin ankündigt, die Adoptionsregeln lockern zu wollen, dann lässt das aufhorchen. Das Mitleid mit ungewollt kinderlosen Paaren steht zwar im Vordergrund, doch den Hintergrund bilden deutlich demographische Überlegungen. Was im Grunde auch legitim ist: Von einer an der Zukunft des Gemeinwesens orientierten Politik kann man verlangen, dass sie über den Tellerrand der jeweiligen Legislaturperioden blickt.

Wir werden aber sehr genau verfolgen müssen, wie ernst künftig die Nachrangigkeit der Auslandsadoption genommen wird – gegenüber Versorgungsmöglichkeiten der Kinder in ihrem Heimatland. Und ob es eine Tendenz gibt, das Kindeswohl kategorisch in den Ländern der Nordhalbkugel anzusiedeln.

3 Kommentare:

  1. Eine gelungene Analyse!

    Als Motivation zum Adoptieren darf künftig nicht nur angeführt werden
    1. Schmerz wegen eigener Kinderlosigkeit
    2. Armen-Waisen-Helfen-Wollen

    sondern

    3. Auffüllen der leeren Rentenkassen in Deutschland.

    Das hat doch Hand und Fuß!
    Und so viel echter Altruismus macht sich sicher auch gut bei der Begründung für den Adoptionsantrag!

    Damit erledigt sich dann der Ansatz,den Anspruch auf Adoption vom bedürftigen Kind aus zu denken.

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  2. Die Förderung von Auslandsadoptionen ist einfach pervers.
    Den meisten Familien im Ausland könnte mit 10$ im Monat geholfen werden. Die meisten Kinder könnten so bei ihren eigenen Familien aufwachsen.- oder eben bei Pflegefamilien oder familienähnlichen Heimen.
    Mit " Ethik" hat das rein gar nichts zu tun.

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  3. Danke. 'Child Grabbing' ist weniger eine Analyse als der Versuch, künftige Entwicklungen vorauszuahnen und die internationale Adoption als kleinen Teil der globalen Migrationen in den Blick zu nehmen. Wobei es zweifelhaft ist, ob die angedeuteten demographischen Motivationen politisch heute schon eine Rolle spielen und darum in einem Adoptionsantrag sinnvoll sind.

    Ein klassisches Einwanderungsland wie die USA blickt im übrigen anders auf internationale Adoptionen als etwa Deutschland, wo Angst vor Fremdem sehr viel weiter verbreitet ist. Ist das eine nun unter ethischen Gesichtspunkten dem anderen vorzuziehen?

    Der Blog-Beitrag hebt im letzten Absatz die Nachrangigkeit der Internationalen Adoption sowie das Kindeswohl hervor. In diesem Sinne wären familienähnliche Heime in Äthiopien in der Tat wünschens- und unterstützenswert. Wenn Sie uns solche Heime sowie dafür eintretende Institutionen nennen können, danken wir für entsprechende Hinweise.

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