Montag, 16. Januar 2012

Identität und Wohlbefinden adoptierter Menschen

Eine Diplomarbeit im Fach Psychologie von Marie Cloos an der Universität Mainz untersucht Fragen der Identität und Wohlbefinden von Adoptierten. Die Untersuchung umfasste sowohl in Deutschland als auch im Ausland geborener Adoptierter.

Eine Zusammenfassung der lesenswerten Ergebnisse findet sich hier. Darin führt die Autorin aus:

Beziehung zu den Adoptiveltern
Auslandsadoptierte Teilnehmer dieser Studie bewerteten die Qualität der Beziehung zu ihren Adoptiveltern im Schnitt besser als inlandsadoptierte Teilnehmer.

Je höher
·         die Ähnlichkeiten zwischen sich selbst und den Adoptiveltern (in Temperament, Interessen, Verhalten),
·         die elterliche Offenheit im Umgang mit dem Thema Adoption,
·         die elterliche Anerkennung von Unterschieden zwischen Adoptivkind und Adoptiveltern,
·         die elterliche Wertschätzung der Herkunftsmutter ,
·         die elterliche Wertschätzung der Herkunftskultur (nur Auslandsadoptierte) bewertet wurden, desto besser bewerteten Teilnehmer auch die Beziehung zu ihren Adoptiveltern.

Je höher
·         die Qualität der Adoptiveltern-Adoptivkind- Beziehung
·         die elterliche Wertschätzung der Herkunftsmutter bei Inlandsadoptierten
·         die elterliche Wertschätzung der Herkunftskultur bei Auslandsadoptierten
bewertet wurden, desto besser war die psychische Gesundheit von Teilnehmern.
 
Kontakt zu leiblichen Verwandten
Sehr viel mehr Inlandsadoptierte (über 60%) als Auslandsadoptierte (ca. 15%) haben Kontakt zu leiblichen Verwandten; gut ein Drittel der Auslandsadoptierten gibt an kein Interesse an einem solchen Kontakt zu haben.
 
Diskriminierung
Inlands- und Auslandsadoptierte Teilnehmer fühlten sich in etwa gleich stark diskriminiert. In der letzten Zeit fühlten beide Gruppen sich sehr viel weniger diskriminiert als in ihrer Kindheit bzw. Jugend.

Inlandsadoptierte fühlten sich stärker als Auslandsadoptierte aufgrund des Adoptiertseins diskriminiert. Mehr als drei Viertel der Auslandsadoptierten fühlt(e) sich aufgrund ihres ausländischen Aussehens bzw. herrschender Vorurteile über bestimmte Volksgruppen diskriminiert.

Besuche im Herkunftsland
Knapp die Hälfte der Auslandsadoptierten ist nach ihrer Adoption nicht mehr in ihrem Herkunftsland gewesen. Jeweils ein Vierteil ist noch genau einmal bzw. häufiger dort gewesen.
·         Teilnehmer, die nach ihrer Adoption mindestens zwei Mal in ihrem Herkunftsland gewesen sind, identifizieren sich stärker mit ihrer Herkunftskultur als die übrigen Teilnehmer.
·         Teilnehmer, die nicht wieder in ihrem Herkunftsland gewesen sind, schätzen ihren allgemeinen Gesundheitszustand schlechter ein und fühlen sich stärker durch körperliche Probleme belästigt als solche, die genau einmal wieder dort waren.

Deutsche Identität und andere Deutsche
·         Auslandsadoptierte sehen sich ebenso sehr als Deutsch wie Inlandsadoptierte. Von fremden Deutschen werden Auslandsadoptierte ihrer Meinung nach im Schnitt schwächer als Deutsch angesehen, als es ihrer eigenen Wahrnehmung entspricht.
·         je eher Teilnehmer ihre Wohngegend als „multikulturell“ einschätzten, desto eher wurden sie von Fremden für Deutsche gehalten.
·         Die Wohngegend wurde als „multikultureller“ bezeichnet von Teilnehmern, die in der Großstadt aufgewachsen waren, verglichen mit Teilnehmern, die in Kleinstadt oder ländlicher Gegend aufgewachsen waren.
·         Auslandsadoptierte, die ihrer Meinung nach von fremden Deutschen stark als Deutsch angesehen werden, fühlten sich allgemein wohler als Auslandsadoptierte, die ihrer Meinung nach nur schwach als Deutsch angesehen werden.
·         83% der Teilnehmer wurden von Fremden bereits für eine(n) AusländerIn bzw. nicht muttersprachlich Deutsch gehalten. In ihrer Kindheit bzw. Jugend haben Teilnehmer in solchen Situationen häufiger als im Erwachsenenalter getan als hätten sie es nicht bemerkt, versucht sich möglichst Deutsch zu verhalten oder sich verbal von ihrem Herkunftsland distanziert.
·         Heute wird hingegen häufiger als früher die Strategie angewandt direkt anzusprechen, dass man Deutsche(r) ist.
·         Teilnehmer, die angaben in solchen Situationen so getan zu haben, als hätten sie es nicht bemerkt, hatten insgesamt schlechtere Werte der psychischen Gesundheit als die übrigen Teilnehmer.

Ethnische Identität der Herkunft
In ihrer Kindheit bzw. Jugend bezeichneten 30% der TN ihren ethnischen Hintergrund als Deutsch(bzw. sich selbst als „andere Deutsche“ oder „schwarze Deutsche“), heute sind es nur noch 11%.
Teilnehmer aus Südamerika identifizierten sich stärker mit ihrer Herkunft als Teilnehmer aus Asien. Je stärker sich Teilnehmer aus Südamerika mit ihrer Herkunft identifizierten, desto höher war auch ihr Selbstwert.

Je weniger ambivalente Gefühle Teilnehmer in Bezug auf ihre ethnische Herkunft hatten, desto höher schätzten sie ihren Selbstwert ein.

Je stärker Teilnehmer angaben, dass ihre Adoptiveltern die Herkunftskultur des Kindes als etwas Wertvolles ansahen, desto weniger ambivalente Gefühle hatten Teilnehmer in Bezug auf ihre Herkunft.

Negative Erfahrungen aufgrund des ausländischen Aussehens
Auslandsadoptierte machten in der letzten Zeit weniger negative Erfahrungen und hatten weniger negative Gefühle aufgrund ihres ausländischen Aussehens als in ihrer Kindheit bzw. Jugend.

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