Donnerstag, 1. September 2011

Kulturelle Identität und Rassismus

Kinder und Erwachsene können in mehreren Kulturen leben, Kulturen miteinander kombinieren und vermischen. Eine kulturelle Identität entsteht durch die Identifikation mit Ritualen und Gebräuchen, die man über einen langen Zeitraum einstudiert und internalisiert. Keine Kultur kann kurzfristig erworben oder abgelegt werden. Kulturen sind immer Mischformen von größeren (deutsch) und kleineren (bayerisch), allgemeinen (Frauen) und spezifischen (Homosexuellen) Gruppen. Menschen können ihre kulturelle Identität im Laufe der Zeit verändern und sich neue Bezugsgruppen suchen: z.B. können Kinder türkischer Einwanderer sich zur deutschen Mehrheitskultur bekennen, wie auch Protestanten sich katholisch taufen lassen und ihren Bezugsrahmen wechseln.

Adoptierte Kinder haben ihre kulturelle Identität nicht gewählt (wie im Übrigen niemand seine kulturelle Identität als Kind wählen kann) aber sie haben offensichtlich den Sonderstatus, dass ihre Herkunft in einer anderen Kultur liegt, die zugleich fremd und ihre eigene ist. Sie können sie erkunden und erforschen und eventuell sich später teilweise aneignen. Ihnen geht die kulturelle Identität ihrer Eltern verloren. In der Diskussion über internationale Adoptionen wird dies häufig als Kritikpunkt angeführt. Der Vergleich mit Migranten liegt an der Stelle auf der Hand, die natürlich auch ihre Herkunftskultur hinter sich lassen und sich in ihre neue Heimat "integrieren" müssen, um dort auf Dauer heimisch zu werden. Deren Kinder wachsen ebenfalls in einem ganz anderen kulturellen Umfeld auf als sie selbst. Beiden Gruppen ist gemein, dass sie ihre Heimat in der Regel nicht ohne Not verlassen haben.

Etwas ganz anderes ist die gesellschaftliche Hierarchie einzelner kultureller Identitäten. Das Abweichen von der Mehrheitskultur wird in der Regel durch Diskriminierung bestraft, wie Schwule, Lesben, Moslems, und nicht europäisch Aussehende täglich erfahren. Daher ist die kulturelle (und ethnische) Identität Einzelner mit mehr oder weniger großen Risiken behaftet. Und hier wird es für adoptierte Kinder aus Entwicklungsländer schwierig. Kulturell gehören sie zur Mehrheitsgesellschaft, in ihrer Identität und in ihrem Aussehen haben sie jedoch eine gemischte kulturelle Identität. Sie werden öfter zum Opfer von Diskriminierung (z.B. als Afrikaner ohne afrikanische Identität), die in schwierigen Situationen enden können. Im schlechtesten Fall fühlen sie sich weder als Deutsche noch als Äthiopier und sehen sich am Rand der Gesellschaft.

Dies ist ein ernstes Thema, das durch Antidiskriminierungspraktiken und dem Training von einem interkulturellen Bewusstsein bearbeitet werden muss und zwar von Kindern, Eltern, Schulen und Angehörigen.


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