Mittwoch, 29. Februar 2012

Das Beste fürs Kind

Wenn wir über Kinder sprechen, dann greifen wir ebenso schnell wie unwillkürlich auf eine Denkfigur zurück, die ganz eigene Probleme aufwirft: das ‚objektive Interesse’. Natürlich, ein Kind ist zivilrechtlich noch nicht geschäftsfähig, und es sind notwendigerweise andere, die über sein Wohl befinden. Aber wir erinnern uns doch an unseren Widerstand gegen Eltern, die nur unser Bestes wollten. Oder an die Forderung nach Befreiung von Arbeiterklassen, die – so schien es – gar nicht befreit werden wollten.

Was hat das mit den Auslandsadoptionen zu tun? Viel – allein schon, weil das (objektive) Kindeswohl im Haager Übereinkommen eine so zentrale Stelle einnimmt. Weil sich manche in der Diskussion darüber leicht tun und sagen, eine gesicherte Kindheit in Europa oder Nordamerika sei das Beste für jedes Kind aus der Armen Welt. Und darum die ethischen und rechtsstaatlichen Forderungen an ein Adoptionsverfahren möglicherweise übertrieben finden. ‚Eine Auslandsadoption ist für diese Kinder doch wie ein Sechser im Lotto.’ Und die sich dann auch noch durch die Migrationsströme bestätigt fühlen.

Was aber ist, wenn die Kinder (vor allem ältere) das Leben hier nicht wertschätzen, vielleicht einfach nicht wertschätzen können? Das muss nichts mit Verfahrensmängeln zu tun haben – viele Kinder sind traumatisiert und können die neuen Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten gar nicht ergreifen und nutzen. Sie lehnen sie ab und drohen sie sogar zu zerstören.

Adoptionen können auch scheitern. Niemand redet gern darüber – und doch sollten Adoptivbewerber sich nicht bis ins Letzte darauf verlassen, dass das, was sie einem Kind zu geben haben, von diesem auch bereitwillig angenommen und wertgeschätzt wird. Die Ablehnung kann ein Ausdruck seelischer Verletzung sein und verlangt sehr viel Geduld sowie die Überzeugung, was man tut, sei auch objektiv richtig. Aber diese Überzeugung wird unter Umständen auf harte Proben gestellt. Ein ethisches Gebot für alle Verfahrensbeteiligten wäre also, auch solchen Realitäten ins Gesicht zu sehen.

Es gibt diesen verstörenden Satz des polnischen Pädagogen Kanus Korczak: 'Jedes Kind hat das Recht auf seinen eigenen Tod.’ Ob und wie weit man sich dem anschließen will, sei einmal dahingestellt. Wie viel Mündigkeit man dem Kind zugestehen mag. Immerhin ist der Satz ein deutlicher Hinweis auf die Dramatik, in der verlassene und verletzte Kinder manchmal um ihr Leben kämpfen, und eine Aufforderung zur Selbstbefragung, wie weit man solch ein Kind zu begleiten bereit ist.

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