Freitag, 24. Februar 2012

Die Rolle der US Administration in der Reduzierung äthiopischer Adoptionen


Ein interessanter Debattenbeitrag findet sich in einem neuen wissenschaftlichen Buch über Internationale Adoptionen. Er stammt von zwei profilierten amerikanischen Juraprofessoren, die beide zugleich Adoptiveltern sind und sich seit Jahren zum Thema aktiv äußern.  Beide haben jedoch deutlich unterschiedliche Positionen zum Thema.  Elizabeth Bartholet von der Harvard Law School ist aktive Befürworterin internationaler Adoptionen und sieht in dem Recht auf Familie eines verlassenen Kindes ein Menschenrecht, das andere Kriterien wie zum Beispiel das Recht auf die eigene Kultur und die Beziehung zur ersten Familie überwiegt. David Smolin von der Cumberland Law School ist selbst von Kinderhandel beschädigter Adoptivvater und steht Internationalen Adoptionen kritisch gegenüber.

Der Meinungsaustausch arbeitet die kritischen Punkte sehr deutlich heraus:
  •  Zum Thema Kinderhandel und Korruption argumentiert Frau Bartholet, dass es keine Beweise dafür gäbe, wie weit verbreitet das Problem Korruption in Internationalen Adoptionen tatsächlich sei. Nach ihrer Einschätzung sei es ein marginales Problem, auf das man mit der Bestrafung der Täter antworten könne, ohne das System ändern zu müssen. Smolin argumentiert hingegen, dass die hohen Geldbeträge automatisch das gesamte System korrumpieren.
  • Zum Thema Subsidiarität argumentiert Frau Bartholet, dass es keinen Grund gäbe lokale Adoptionen internationalen Adoptionen vorzuziehen, da man wisse, dass Kinder sich gut in einem neuen Umfeld zurecht finden. David Smolin erwidert, dass das Trauma von Trennung und Adoption in dieser Betrachtung nicht berücksichtigt werde.
Die interessanteste Aussage in dem Beitrag betrifft jedoch die Reduzierung der Adoptionen in Äthiopien. Frau Bartholet gibt UNICEF gemeinsam mit der US amerikanischen Regierung die Verantwortung für die Reduzierung der Adoptionen aus Äthiopien. Sie schreibt, dass beide die äthiopische Regierung nicht nur unter Druck gesetzt sondern diesen Druck auch mit einem hohen Geldbetrag verknüpft haben. Eine Hilfeleistung der USA in Höhe von $100 Mio., von denen 10% über UNICEF ausgeschüttet würden, sei der Preis für die Reduzierung äthiopischer Adoptionen gewesen.

"Those I consulted with, who had decades of experience on the ground there and reason to know what was going on, thought the quid pro quo clear -- shut down international adoption and we’ll give you $100 million USD. Why isn’t this kind of apparent deal characterized as corruption? Why isn’t it condemned as harmful to children, shutting off the international adoptive homes that represent for many their best option? Why isn’t Smolin interested in investigating any corruption or other misuse of funds given to organizations like UNICEF for incountry work?"

Da diese Behauptung immerhin von einer Professorin einer führenden rechtswissenschaftlichen Fakultät kommt, kann man sie nicht so einfach zur Seite legen. Angesichts der starken Adoptionslobby in den USA kann man sich zudem durchaus vorstellen, dass das amerikanische Außenministerium einerseits den Adoptionstourismus nach Äthiopien eindämmen und andererseits sich mit dieser Lobby nicht anlegen wollte. Insgesamt zeigt diese Erklärung in erster Linie eines: Dass internationale Adoptionen ein politisch hoch sensibles Feld sind, in dem es kaum um Kinder aber viel um Politik geht.


Elizabeth Bartholet and David Smolin: THE DEBATE. In: INTERCOUNTRY ADOPTION: Policies, Practices, and Outcomes (edited by Judith L. Gibbons and Karen Smith Rotabi, Ashgate LTD forthcoming June 2012)

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