Montag, 28. November 2011

Amerikanische Verhältnisse?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2010 382 ausländische Kinder zur Adoption nach Deutschland gebracht, deren Adoptiveltern nicht mit den Kindern verwandt sind. Äthiopien war das größte Senderland mit 97 Kindern gefolgt von Russland, Thailand und Bulgarien. 2009 waren es noch 72 Kinder aus Äthiopien und 2008 waren es 47 und 2007 29. Damit sind in Deutschland die Zahlen adoptierter Kinder aus Äthiopien ähnlich schnell in die Höhe geschossen wie in den USA. Gleichzeitig sind jedoch die Gesamtzahlen aller Auslandsadoptionen nach Deutschland im gleichen Zeitraum deutlich gesunken. 2007 kamen noch 567 Kindern aus dem Ausland nach Deutschland.*

Die Zahlen verdeutlichen zum einen wie groß der Abstand zum Adoptionsland USA ist; zum anderen aber auch dass das in den Medien gerne gezeichnete Bild der Auslandsadoption als Lösung für die zunehmende ungewollte Kinderlosigkeit verwöhnter Mittelschichtsfamilien kaum zutrifft. 660.000 Geburten im Jahr stehen knapp 400 Auslandsadoptionen gegenüber. Die Zahl der vorgemerkten Adoptionsbewerbungen sank in den letzten zwanzig Jahren um über 60%.

Während also die Gesamtzahlen von Inlands- und Auslandsadoptionen in Deutschland seit langem sinken, war Äthiopien in den letzten Jahren ein Ausreißer. Das hängt zum einen mit dem 'Erschließen' von Äthiopien als Senderland durch amerikanischen Vermittllungstellen und zum anderen mit der Gründung einer neuen Vermittlungsstelle zusammen. Die bayerische Vermittlungsstelle Eltern für Afrika hat 2007 seine erste Vermittlung aus Äthiopien durchgeführt und ist seitdem rasant gewachsen. Mit Eltern für Afrika wurde das Vermittlungsverfahren aus Äthiopien nach Deutschland insofern 'amerikanisiert', als dass Eltern für Afrika wie viele amerikanische Vermittlungsagenturen ein eigenes Transitheim in Addis Abeba betreibt, in das Kinder zur Adoption nach Deutschland aufgenommen werden. Transitheime ausländischer Adoptionsvermittlungsstellen sind problematische Einrichtungen. Einerseits folgen sie ein wenig dem Modell der Bereitschaftspflege, wie sie in Deutschland praktiziert wird. Anderseits tragen sie zum Aufbau einer Nachfragestruktur bei und die Vermittlungsstellen sind schon aus finanziellen Gründen darauf angewiesen, dass neue Kinder ins Heim kommen. Gekoppelt mit sozialen Projekten wie z.B. einem Projekt für Straßenmütter kann sehr schnell eine Beziehung entstehen, bei der Straßenmütter ihre Kinder ins Heim abgeben, um selbst wieder Unterkunft und Arbeit zu bekommen. Es geht jedoch bei internationalen Adoptionen darum, keine zusätzlichen Anreize zur Abgabe von Kindern zu schaffen.

Sind wir also auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse? Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte macht das eher unwahrscheinlich. Zum einen wurden Vermittlungsstellen mit umstrittenen Geschäftspraktiken wie ICCO und Pro Infante die Lizenzen entzogen. Zum anderen tragen die zentralen Behörden wie zum Beispiel die Zentralen Behörde für Auslandsadoptionen der norddeutschen Bundesländer (GZA) und das Bundesamt für Auslandsadoptionen immer wieder kritische Beiträge zur Auslandsadoption in die Diskussion. Das gilt ebenso für Terre des Hommes, die jedoch nach eigenen Angaben ihre Vermittlungen nicht aufgrund ethischer Überlegungen eingestellt haben. Und schließlich ist die Rechtsprechung zur Umwandlung ausländischer Adoptionen zunehmend restriktiv und hat den Vermittlungsstellen weitere Prüfpunkte auferlegt.

Der ausgesprochen kritische Leiter der GZA, Rolf Bach, spricht sogar von Adoptionen als einem aussterbenden Rechtsinstitut und misst auch dem Handel mit Adoptivkinder in Deutschland keine größere Bedeutung zu. Im Unterschied zu den USA greifen jedoch deutsche Medien das Thema Kinderhandel immer wieder gerne und skandalisierend nach dem Motto "Suche Kind, zahle bar" auf, während tatsächlich der "Handel" mit Kindern im Sinne von Geldzahlungen für die Abgabe von Kindern oder gar Kinderdiebstahl nur in den allerseltensten Fällen ein Thema ist. Auch in dem Bericht, den ACT über die Vermittlung 19 äthiopischer Kinder durch die niederländische Vermittlungsstelle Wereldkinderen wurden keine Anzeichen für Geldzahlungen an Angehörige gefunden. Das soll die Probleme mit gefälschten oder fehlerhaften Herkunftspapieren, den fehlenden Alternativen zur Abgabe der Kinder und die oftmals mangelnde Aufklärung äthiopischer Angehöriger über den endgültigen Charakter der Adoption nicht verharmlosen und macht die Diskussion über ethische Auslandsadoptionen nicht weniger relevant.

Letztlich leben die USA und Deutschland in zwei sehr unterschiedlichen Adoptionswelten. In den USA wird öffentlich für Adoptionen missioniert; in Deutschland suggerieren die Medien regelmäßig und oftmals mit behördlicher Unterstützung, dass Auslandsadoptionen an Kinderhandel grenzen.

* Die Zahlen beinhalten nicht Privatadoptionen. Es war uns nicht möglich, eine fundierte Angabe über die tatsächliche Praxis der Privatadoption zu finden. 

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