Freitag, 30. Dezember 2011

Zwei Bücher zum Jahresende

In diesem Jahr sind zwei Bücher von herausragenden Autorinnen erschienen, die beide ihre eigenen Erfahrung mit Adoption auf sehr persönliche Art und Weise verarbeiten. Beide gehören in ihren Heimatländern und darüber hinaus zu Bestsellerautorinnen mit intellektuellem Gewicht; ihre Bücher sind von einer außergewöhnlichen Direktheit und unerschrockenen Ehrlichkeit.

Cover art for BLUE NIGHTS

Blue Nights ist das verstörende Buch von Joan Didion, in dessen Zentrum der Tod ihrer Adoptivtochter steht. Er ist eng verwoben mit dem Tod ihres Mannes, der kurz nach der Erkrankung der Tochter an einem Herzinfarkt stirbt. Quintana liegt zu dem Zeitpunkt bereits im Koma. Der Tod ihres Mannes und das Jahr danach ist Thema des Bestsellers und Bühnenerfolgs The Year of Magical Thinking. Blue Nights könnte man als Folgebuch lesen, aber es ist doch eine noch radikalere Abrechnung mit dem Alter, ihrem eigenen Leben und dem Tod. Dass Quintana ihre Adoptivtochter war, spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle. Ihre Ängste und Selbstzweifel, die Art, wie sie ihren Eltern gerecht werden will, sind Themen von adoptierten Kindern. Aber auch ihre eigene Rolle als Adoptivmutter reflektiert Joan Didion auf schmerzhafte Weise. Panisch reagiert sie, als sie sich mit ihrer Familie in der Heimatstadt der leiblichen Mutter aufhält. Zu groß ist die Angst, die erste Mutter könnte ihr Quintana streitig machen. Zu groß ist selbst heute noch der Wunsch, dass die Beziehung zur ersten Familie auch irgendwann beendet sein müsste. Sie müsste es besser wissen, kann aber die andere Elternschaft kaum greifen und schon gar nicht verstehen.



Das Verhältnis von zweiter zu erster Mutter spielt auch eine wesentliche Rolle in dem autobiographischen Roman Why Be Happy If You Could Be Normal von Jeannette Winterson. Jeannette Winterson wurde Anfang der sechziger Jahre im Norden Englands von streng religiösen Eltern der Pfingstgemeinde adoptiert und wuchs in einem lieblosen wie neurotischen Elternhaus auf. Mit sechzehn setzte ihre Adoptivmutter sie vor die Tür, als sie sich als Lesbe zu erkennen gab. In der Situation entstand auch das Zitat, das dem Buch den Titel gab. Bereits in ihrem Erstlingswerk und Bestseller Oranges Are Not The Only Fruit aus dem Jahr 1985 setzte sie sich mit ihrer Adoptivmutter und ihrem Elternhaus harsch auseinander. Ein Vierteljahrhundert später analysiert sie diese Beziehung erneut in einem milderen Licht und konfrontiert sie mit ihrer persönlichen Entwicklung in den nachfolgenden Jahrzehnten. Ihre Adoptivmutter hat sie zwar nach dem Rauswurf nur noch ein einziges Mal gesehen. Allerdings führt eine Lebenskrise mehr als zwanzig Jahre später sie zur Suche ihrer leiblichen Mutter, die sie ambivalent erlebt. Während ihre erste Familie mit Tanten, Stiefgeschwistern und Mutter sie freudig in die Familie aufnimmt, wird ihr selbst wiederum deutlich, wie stark sie von den Kämpfen mit ihrer Adoptivmutter auch in ihrer kreativen Entwicklung geprägt wurde.    

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern unseres blogs und der webseite ein gutes und erfolgreiches Jahr 2012!

1 Kommentar:

  1. Danke für die Tipps, allein beim durchlesen hat mich das berührt.

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