Montag, 19. Dezember 2011

Rechtmäßigkeit ohne Rechtsstaat - Adoptionen in Äthiopien

Am 21. November 2011 veröffentlichten Human Rights Watch und Amnesty International einen Aufruf an die äthiopische Regierung, von der Verfolgung von Journalisten und friedlichen politischen Aktivisten durch die Anwendung ihrer übermäßig breiten Antiterrorismusgesetze abzusehen.

Am 23. November 2011 wurde der Prozess gegen 24 des Terrorismus verdächtigten Angeklagten fortgesetzt. Darunter waren sechs Journalisten und zwei Mitglieder der oppositionellen Partei Unity for Democracy and Justice (UDJ). Gegen sechzehn der 24 wird in Abwesenheit verhandelt. Mehrere andere Verfahren gegen Journalisten und Aktivisten finden zeitgleich statt.

Äthiopien ist keine Demokratie und kein Rechtsstaat. Keiner der Angeklagten hatte Zugang zu einem Verteidiger vor dem Verfahren. Drei der Angeklagten haben sich im Gerichtssaal über Misshandlungen beschwert. Menschenrechts-organisationen werden von der Regierung ebenso unterdrückt wie oppositionelle Parteien. Premierminister Meles Zenawi hat sich bereits über die Verfahren geäußert und somit die Unschuldsvermutung gegenüber den Angeklagten unterminiert. Die Äußerungen setzen die Gerichte unter Druck; die äthiopische Gerichtsbarkeit ist nicht unabhängig.

Wie kann in einem autoritär regierten Land eine unabhängige Prüfung des Adoptionsbedürfnisses verlassener Kinder stattfinden? Wie können deutsche Gerichte im Anerkennungsverfahren davon ausgehen, dass die in den äthiopischen Gerichtsurteilen dokumentierten Sachverhalte faktisch richtig sind und den deutschen Rechtsgrundsätzen entsprechen? Im Zweifel gar nicht. Die Anerkennung äthiopischer Adoptionsurteile basieren auf einer Fiktion einer Teilautonomie äthiopischer Familiengerichte, die wiederum jedoch auf fraglichen Annahmen basiert. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist es nicht möglich zu wissen, mit welcher Motivation und welchem Handlungsspielraum ein äthiopischer Richter über einen Adoptionsantrag befindet. In einer für das Kind und die beteiligten Familien lebensentscheidenden Frage ist das zugrunde gelegte Verfahren nicht vertrauenswürdig.

Die Folgen sind problematisch. Zum einen urteilen deutsche Richter anders als äthiopische Gerichte, wie das Urteil des OLG Düsseldorf vom Januar diesen Jahres zeigt. Zum anderen bleibt ein Nachgeschmack bei der Betrachtung der äthiopischen Urteile, die oftmals der einzige Beleg der Herkunft der Kinder sind. Die dort aufgeführten Sachverhalte mögen zutreffen. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Diese Ungewissheit ist für Kinder und Familien schwer zu ertragen.

1 Kommentar:

  1. Als Ergänzung hierzu empfiehlt es sich, den folgenden Artikel zu lesen:


    http://www.theatlantic.com/international/archive/2011/12/adoption-inc-how-ethiopias-industry-dupes-families-and-bullies-activists/250296/?single_page=true

    b.

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