Dienstag, 13. Dezember 2011

Das Paradox von Adoptionen

Adoption ist ein ungewöhnliches Zusammentreffen eines Kinderwunsches eines Paares mit dem Verlassenwerden eines Kindes. Für zwei sehr unterschiedliche Arten von sehr persönlichen Verletzungen wird durch die Adoption im Handumdrehen eine gemeinsame Lösung gefunden. In der Adoption dient das verlassene Kind als Erfüllung des Kinderwunsches. Ob dabei das Kind auf seine Kosten kommt und nicht vielleicht immer nur Ersatz bleibt, ist der Kern vieler kritischer Diskussionen Adoptierter über Adoptionen. Und ob nicht die Erfüllung eines Kinderwunsches an sich bereits selbstsüchtig und unangemessen ist - noch dazu vor dem Hintergrund eines verlassenen Kindes.

Durch das Dickicht der hitzigen Adoptionsdiskussionen und auf den unzähligen blogs zum Thema zieht sich immer wieder die paradoxe und schmerzhafte Feststellung, dass das Leid des Kindes gleichzeitig die Freude der Eltern ist. Adoptiveltern feiern den Adoptionstag - in Amerika als 'gotcha day' - an dem das Kind in die neue Familie kam. Für das Kind ist es jedoch der Tag des endgültigen Verlusts seiner ersten Familie, seiner Herkunft und seiner 'natürlichen' Identität vor der Adoption.

Wie darauf reagieren? Auf einem lesenswerten blogbeitrag einer Therapeutin und Adoptivmutter liest man: "I have come to believe that every simple, clear statement made about the adoption experience, from any perspective, is at worst wrong and at best incomplete." Das ist einfühlsam und unterstreicht die Komplexität von Adoptionen. Adoptiveltern können zu der Zeit des Kindes vor der Adoption sowie zu seiner Beziehung zu seiner leiblichen Familie wenig sagen. Sie kennen sie nicht aus eigener Erfahrung. Sie wissen nicht, ob und wie bereits ein Säugling über den Verlust seiner Mutter trauern kann. Aber sie können die subjektive Erfahrung des Kindes als solche respektieren. Wie die Beziehung sich auch immer im Laufe der Zeit entwickeln wird und welchen Stellenwert die Herkunftsfamilie für das Kind haben wird; Adoptiveltern können und müssen sie als Teil ihres Kind anerkennen und die Trauer des Kindes verstehen und begleiten. Das ist ihre Aufgabe.   

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