Mittwoch, 27. April 2011

Was hilft die Haager Konvention?

Wer sich mit ethischen Fragen in der Auslandsadoption beschäftigt, kommt an der Haager Konvention von 1993 nicht vorbei. Die Haager Konvention etabliert einen zwischenstaatlichen Konsens, dass elternlose Kinder in einer Familie aufwachsen sollen, und ermöglicht für den Fall, dass keine Familie im Land gefunden werden kann, die Auslandsadoption als ein angemessenes Mittel dafür. Um Missbrauch und Korruption zu verhindern, werden Verfahrensvorschriften zur Akkreditierung von Vermittlungsstellen und eine staatliche Aufsicht verabredet. Hilft die Haager Konvention zur Verhinderung unethischer Praktiken?

Die Erfahrung der letzten 18 Jahre stimmen skeptisch. Zwar geht einerseits die Zahl internationaler Adoptionen stark zurück, nicht jedoch die Berichte über Korruption und Missbrauch. Länder schließen ihre Adoptionsprogramme eher, als dass sie nachhaltige rechtstaatliche Verfahren einführen. Andererseits haben gerade die großen Sender- wie Empfängerländer, wie China, Russland, Äthiopien und die USA, die Haager Konvention nicht oder erst vor kurzem ratifizert. Ist eine striktere Anwendung der Haager Konvention die Lösung?

In einer umfassenden rechtlichen und empirischen Analyse hat der Jurist und Adoptivvater David Smolin das Potenzial der Haager Konvention untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass eine Ratifizierung der Konvention durch die großen Senderländer allein kaum hilft. Vielmehr müssen zusätzlich die folgenden Bedingungen erfüllt sein, um die Konvention mit Leben zu füllen:

(1) Finanzielle Anreize über Gebühren und Spenden müssen reguliert, limitiert und transparent gestaltet werden.
(2) Empfängerländer müssen für die ethischen Standards in den Senderländern mit verantwortlich gemacht werden und diese Verantwortung akzeptieren.
(3) Bekannt gewordene Fälle von Kinderhandel in Auslandsadoptionen müssen öffentlich untersucht und zum Anlass für Verfahrensverbesserungen genommen werden.
(4) Empfängerländer, die die Haager Konvention ratifiziert haben (insbesondere die USA), müssen die gleichen Ansprüche auch an Länder stellen, die die Konvention nicht ratifizert haben, um dem Adoptionstourismus in das nächste Land mit laxer Regulierung (wie z.B. von Guatemala nach Äthiopien) zu verhindern.

Die Zukunft der Auslandsadoption sieht Smolin nicht durch ideologische Debatten (wie den Vorwurf des Neokolonialismus) gefährdet. Vielmehr ist es das Unvermögen der Beteiligten, trotz großer finanzieller Mittel ein nachhaltiges und ethisch korrektes Verfahren zu installieren und unethische Praktiken zu unterbinden, das zu einer zunehmend skeptischen Haltung der Senderländer und regelmäßig zur Schließung von Adoptionsprogrammen anstatt zu ihrer besseren Regulierung führt. Mit anderen Worten: die Adoptionsadvokaten, die in ethischen Fragen gerne beide Augen zudrücken, graben sich langfristig selbst das Wasser ab, weil Skandale zur Reduzierung von Auslandsadoptionen führen. Vielleicht ist dieser Zusammenhang dann wieder ein Grund zur Hoffnung.  

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