Samstag, 20. August 2011

Ein Medienpreis?

Die Kindernothilfe vergibt jährlich einen Medienpreis, um herausragende Publikationen und Filme auszuzeichnen, die in besonders eindringlicher Weise die Not von Kindern thematisieren. Wie die Kindernothilfe mitteilte, stehen die Nominierungen für den diesjährigen Medienpreis nun fest. Dazu gehört auch der taz-Artikel "Der verlorene Sohn" von Greta Taubert und Benjamin Reuter, der letztes Jahr im Mai erschien. Der Artikel behandelte die Geschichte eines äthiopischen Jungen, der von seinen Eltern abgegeben und nach Deutschland adoptiert wurde. Sein Vater hatte die Mutter für tot erklärt, um die Adoption zu ermöglichen. Ein typischer Fall für ethische Probleme in der Adoptionsvermittlung - ermöglicht durch die verzweifelten Lage einer Familie und ausgebeutet für politische Zwecke.

Während die Vortäuschung des Tods der Mutter und die dadurch erfolgte Abgabe des Kindes ein schwerwiegender Eingriff in seine Rechte ist, und in jedem Fall ein lohnenswertes Thema für investigativen Journalismus darstellt, muss die Nominierung des Artikels jedoch für alle überraschend sein, die ihn gelesen haben. Der Artikel gehört leider in die Kategorie Kampagnenjournalismus. Er klärt nicht auf und recherchiert auch wenig über die Hintergründe internationaler Adoptionen sondern reproduziert die Argumente einer bestimmten Lobbygruppe, die gegen Auslandsadoptionen vorgeht und die den Autoren entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt hat. Diese wurden mit alt bekannten Stereotypen und einem Einzelschicksal versehen und in einer reißerischen Sprache in eine Story verwandelt.

Da geht es um eine Frau, die sich ein „schönes Baby“ wünscht; Eltern, die „investieren“, dem Leiter einer Adoptionsagentur mit einer Hautfarbe „die von häufigen Afrikaaufenthalten zeugt“ und Adoptiveltern, die sich in Internetforen verschanzen und die Öffentlichkeit scheuen. (Letzteres ist nur zu verständlich, wenn man sich die hier gewählte Form der Öffentlichkeit betrachtet. In der Darstellung wurden die Persönlichkeitsrechte der Adoptivfamilie verletzt, indem der Artikel von einem Bild begleitet wird, auf dem die Familie leicht erkennbar ist, und der im Artikel verwandte Name des Kindes auch Aufschluss auf die Familie gibt.)

Warum die Berichterstattung über ethische Fragen in Auslandsadoptionen grundsätzlich nur zwischen den Extremen 'abzulehnender Kinderhandel' oder 'lobenswerte Kinderrettung' pendelt, bleibt weiterhin eine offene Frage. Es wäre jedenfalls schade, wenn die Jury des Medienpreises diese Schwarzweissmalerei unterstützen würde.

 

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