Sonntag, 2. Juni 2013

Der schlechte Ruf Internationaler Adoptionen

Wenn man heute die Berichterstattung über internationale Adoptionen verfolgt, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass die Welt nur aus Skandalen besteht. Die Fälle von Masho, Journee und Betty Lub berichten ausführlich von dem Unrecht, das sie erfahren haben. Ist das die Spitze des Eisbergs oder sind es die Ausnahmen, die zwar bedauerlich sind aber nicht Grund genug von der Praxis der IA Abstand zu nehmen? Was bedeuten drei oder auch zehn persönliche Schicksale in Anbetracht von mehr als jährlich mehreren Tausend Adoptionen aus Äthiopien? Leider kann man die Frage weder in die eine noch in die andere Richtung abschließend beantworten. Das Bild ist komplizierter.

Die eine Seite ist die des Adoptionsunrechts: Dokumente werden gefälscht, die falschen Eltern adoptieren, Kinder werden misshandelt und leibliche Eltern betrogen und belogen. Intakte Familien werden auseinandergerissen und kriminelle Organisationen und Menschen bereichern sich an dem Leid anderer. Wer in diese Welt hineingerät, wird Opfer von Menschenhandel, Missbrauch und mafiösen Strukturen. Viele Adoptierte aber auch Adoptiveltern, die sich im Bereich ethische Adoptionen engagieren, sind entweder Opfer geworden oder zumindest mit der Unterwelt in Berührung gekommen.

Die andere Seite ist die der Adoption im Sinne des Kindeswohls. Dort werden Kinder adoptiert, die in der Tat niemand haben möchte und deren Schicksal ansonsten ein langjähriger Aufenthalt in Kinderheimen oder ein früher Tod wäre. Kinderheime, in denen sie geschlagen und missbraucht werden, nur rudimentäre Schulbildung erhalten und im Anschluss mittellos und ohne Familie in die Gesellschaft entlassen werden. Sie haben keine Eltern, die betrogen worden sind, sondern wurden von ihren Müttern – aus welchen Gründen auch immer - dauerhaft verlassen. Sie sind Vollwaisen ohne Verwandte, die sich um sie kümmern könnten oder wollen. Sie sind krank oder einfach im Weg, wenn Ehen auseinandergehen oder ein Elternteil stirbt. Nach ihnen fragt niemand im Kinderheim. Niemand. Liest man die Antiadoptionsberichterstattung haben alle adoptierten Kinder irgendwo eine Mutter, die ihre Entscheidung lieber heute als morgen revidieren möchte. Das stimmt oft nicht. Es gibt elternlose Kinder in Not. Manche Mütter sind tot; manche Mütter sind krank und manche Mütter sind sehr froh, weil sie ihre Kinder in guten Händen wissen. Diese Mütter kommen in der Welt von ACT oder von poundpublegacy einfach nicht vor, weil sie nicht ins Konzept passen.

Ein weiterer Vorwurf der skandalisierenden Berichterstatter sind die kinderwunschgetriebenen Adoptiveltern, die sich mit offenen Augen an einem korrupten System beteiligen. Ihnen wird Rassismus unterstellt, wenn sie aus Russland adoptieren und farbenblinde Attitüden, wenn sie afrikanische Kinder aufnehmen. Auch das ist weit übertrieben. Ohne Kinderwunsch kann man und sollte man nicht adoptieren. Ein Kinderwunsch bedeutet jedoch nicht, dass alles andere unerheblich wird. Viele Adoptiveltern unternehmen alles menschenmögliche, um mit den Familien in Äthiopien Kontakt aufzunehmen.
Erwachsene Adoptierte kommen dabei viel zu selten zu Wort. Sie melden sich dann, wenn sie gegen ein korruptes System wettern und ihr Leid öffentlich machen wollen. Sie melden sich weniger, wenn es ihnen gut geht. Studien über die Lebenssituation von Adoptierten kommen oft zu positiven Ergebnissen, die auch nicht ins Bild der Skandalberichterstattung passen.

Die Wirklichkeit der internationalen Adoption ist kompliziert. Manchen Kindern geht es besser, wenn sie adoptiert werden, manche werden Opfer von korrupten Machenschaften. Jedes Kind, das zu Unrecht adoptiert wird, ist eins zu viel. Jedes Kind, das eltern- und familienlos ist und es nicht sein müsste, ist ein ebenso tragischer Fall. Man kann die Position haben, dass die Korruption in IA so schädlich ist, dass kein Kind mehr adoptiert werden sollte. Für manche Länder, wie z.B. in Guatemala, ist dies auch der Fall. Man kann auch der Auffassung sein, dass IA auf keinen Fall von amerikanischen Vermittlungsstellen dominiert werden darf, für die dies unter dem Deckmantel christlicher Nächstenliebe ein einträgliches Geschäftsmodell ist. Auch dem kann man sich anschließen. IA sollte von Menschen betrieben werden, deren Einkommen nicht davon abhängt, bzw. deren Einkommen so transparent sind, dass man ein Gewinnstreben ausschließen kann. Das ist derzeit das Problem in Äthiopien, das wir an dieser Stelle schon oft beschrieben haben.

Folgt daraus, dass man IA unter keinen Umständen gut heißen kann? Wir meinen nein und haben dabei die Kinder und adoptierten Erwachsenen im Sinn, die in Deutschland und anderswo ein zuhause gefunden haben und denen es damit gut geht. Vielmehr geht es um einen Reformprozess, um Korruption und Intransparenz zu verhindern. Kontakte zur leiblichen Familie und die strikte Regulierung des Vermittlungsprozesses sind wichtige Bestandteile. Es geht jedoch nicht um eine Kampagne, um IA endgültig abzuschaffen. Es ist oftmals einfacher, etwas komplett zu verbieten als es zu verbessern. Das wäre jedoch die falsche Alternative. Gerade ältere verlassene Kinder können von Adoptionen profitieren, wenn die Verfahren belastbar und die Beteiligten ausreichend vorbereitet sind. 

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