Sonntag, 19. August 2012

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Ein Bekannter, Engländer, der lange in Westafrika gelebt und dort als Lehrer gearbeitet hat, erzählt:

In Kamerun hat mir einmal jemand etwas anvertraut. "Wir Afrikaner, vor allem, wenn wir auf dem Land leben, haben praktisch keine Privatsphäre. Wir teilen den Raum mit der Familie, die Wände sind dünn, und wenn wir ins Freie treten, ist da gleich das ganze Dorf.
Glaub mir, jeder von uns hat darum ein fest abgeschlossenes Inneres, in das er keinem Menschen Einblick gewährt, keinem. Du kommst bei uns schnell mit Leuten in Kontakt, du kannst Freunde finden, Beziehungen begründen, aber niemand wird sich dir eröffnen, so wie du es vielleicht aus Europa kennst. Wie es im eignenen Innern aussieht, geht niemanden etwas an. Mehr sage ich Dir dazu nicht."

Wenn das so stimmt und verallgemeinerbar ist, wie sollen dann z.B. unsere (redebasierten) Therapien bei traumatisierten Kindern greifen? Wie kann sich trotzdem Bindung entwicklen, wie Vertrauen einstellen? Oder ist solch eine Weisheit nur eine Dämonisierungsform, um so wirkmächtiger, je mehr Phänomene (z.B. die Prüderie afrikanischer Gesellschaften) sie zu erklären behauptet?

1 Kommentar:

  1. Man emofiehlt bei schwerer Belastung durch traumatische Erfahrungen meistens Therapien, die nicht primär auf Sprache gestützt sind, und zwar unabhängig vom ethnischen Hintergrund:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Eye_Movement_Desensitization_and_Reprocessing
    Begründung: Die Traumatisierung bewirkt eine Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktion in der Weise, dass die Geschehnisse gerade nicht der bewußten (sprachlichen) Verarbeitung zugänglich sind:

    Gedächtnismodell

    Bei der Traumatisierung kommt es durch die massive Ausschüttung von Neurohormonen zu einer Fehlfunktion der Hippokampusformation. Hierdurch wird die räumliche und zeitliche Erfassung von Sinneseindrücken massiv gestört. Die Sinneseindrücke werden nicht mehr in Kategorien erfasst, sondern die akustischen, visuellen, olfaktorischen und kinästhetischen Sinneseindrücke werden als zusammenhangslose Informationen wahrgenommen. Außerdem werden die ankommenden traumatischen Sinneseindrücke nicht hippokampal (explizites Gedächtnis) in das Bewusstsein eingespeist und dort gespeichert, sondern amygdaloid (implizites Gedächtnis) fragmentiert. Bei einem Flashback werden diese fragmentierten Gedächtnisinhalte dann abgerufen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Trauma_%28Psychologie%29#Symptome_und_Verhaltensweisen

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