Mittwoch, 9. Mai 2012

Erfahrungswerte

Im Laufe der Zeit sammeln Adoptiveltern eine Menge Erfahrungen sowohl mit ihren eigenen Kindern als auch durch die Gespräche mit anderen Adoptivfamilien. An dieser Stelle geben wir einige Beispiele dafür, was wir selbst gerne gewusst hätten, bevor wir unsere Kinder in Empfang genommen haben.

1. Adoptiveltern brauchen Training und Aufklärung. Zurzeit funktioniert die Vorbereitung von Adoptiveltern vielfach nach dem Prinzip Hoffnung, dass schon alles gut gehen wird. Während dies in der Mehrheit der Adoptionen auch der Fall sein kann, führt es jedoch in denen Fällen, in denen es schief geht, zu falschen Reaktionen. Adoptiveltern müssen von Beginn an dafür sensibilisiert werden, dass traumatisierte Kinder anders erzogen werden müssen als leibliche Kinder.

2. Für eine solche Vorbereitung gibt es jedoch jenseits der praktischen Tipps und der Erfahrungsliteratur nur wenig Lektüre oder Weiterbildung. Angehende Adoptiveltern, die ja auch hoffen, dass alles gut gehen wird, sind leider auch nicht wirklich daran interessiert. "Survival Tipps für Adoptiveltern", von Christel Rech-Simon und Fritz B. Simon, und die Bücher von Bettina Bonus gehören in die Bücherregale aller Adoptiveltern.

3. Nicht jedes adoptierte Kind ist traumatisiert, aber jedes Adoptivkind braucht besondere Nähe und Möglichkeiten des Kleinkindseins. Selbst Neun- oder Zehnjährige werden hin und wieder zum Baby oder schauen sich Bilderbücher an. Sie brauchen in diesem Moment die Nähe und den Schutz eines Kleinkinds.

4. Adoptionen betreffen die gesamte erweiterte Familie nicht nur die Kernfamilie. Bereits vorhandene Kinder müssen eine neue Stellung in der Familie finden.

5. Das Alter des Kindes zum Zeitpunkt der Adoption sagt nichts über den Grad seiner Traumatisierung aus. Kleine und große Kinder können traumatisiert sein. Kleine Kinder können ihre Gefühle jedoch nicht mit Worten ausdrücken. Bei gleichzeitig adoptierten Geschwisterkindern ist es oftmals das kleinere Kind, das größere Schwierigkeiten hat.

6. Ältere Kinder haben dafür andere Anpassungsschwierigkeiten. Das deutsche Schulsystem hat nur wenig Toleranz gegenüber Kindern, die anders sind als die Norm.

7. In der Adoptionsliteratur gibt es sowohl Fachwissen wie auch Ideologien. Beides ist nicht immer einfach voneinander zu trennen. Ideologien schüren Konflikte zwischen verschiedenen Teilen des Adoptionsdreiecks.

8. Es gibt gescheiterte Adoptionen, aber unseres Wissens nach keine Untersuchungen darüber, warum und unter welchen Bedingungen Adoptionen scheitern. Der hohe Kostenaufwand, die langen Wartezeiten und großen Entfernungen in internationalen Adoptionen machen es sehr schwer, einen Kindervorschlag abzulehnen. Nicht für alle vermittelten Kinder ist unserer Erfahrung nach eine Adoption wirklich die beste Lösung.


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